Forschung, Innovation und Wertschöpfung – Gemeinsam die Zukunft der Medizin gestalten 

Spitzenreiter pharmazeutische Industrie - sie ist der forschungsintensivste Wirtschaftszweig in Deutschland.1 Dabei resultiert fast jede zweite Neuzulassung eines Arzneimittels (45 %) bereits aus neuen biotechnologischen und biopharmazeutischen Technologie- und Forschungsansätzen.2 Doch worin äußert sich der Nutzen dieser Innovationen für die Gesellschaft? Welchen Herausforderungen begegnen wir in der medizinischen Versorgung? Wie sieht die Therapielandschaft von morgen aus? Und was müssen wir tun, damit Deutschland auch zukünftig ein führender Innovationsstandort bleibt? Mit diesen Fragen hat sich Neil Archer, Geschäftsführer von Bristol Myers Squibb, im Rahmen seines Vortrages bei der Handelsblatt Jahrestagung Pharma 2022 auseinandergesetzt.  

Medizinischer Fortschritt durch Forschung und Innovation

Innovative Arzneimittel schaffen seit jeher Mehrwert für die Gesellschaft, indem sie einen maßgeblichen Beitrag zur Behandlung von schweren, chronischen Erkrankungen leisten. Beispiel schwarzer Hautkrebs: Hier konnte die Fünf-Jahres-Überlebensrate von unter 60 % in den 1970er Jahren auf inzwischen rund 90 % erhöht werden.3 Möglich wurde dies nicht zuletzt durch immunonkologische Therapien, die die Kraft des körpereigenen Immunsystems nutzen, um Krebs zu bekämpfen. Auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind deutliche Verbesserungen mithilfe optimierter Prävention und neuer Therapien erzielt worden. So ist die Zahl der Schlaganfall-bedingten Todesfälle in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre um rund 75 % zurückgegangen.4 Ähnliche Fortschritte sind auch im Bereich der Autoimmunkrankheiten zu sehen, bei denen innovative Behandlungsansätze das Ziel einer dauerhaften Remission und damit eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen verfolgen.

Diese Entwicklungen machen den Wertbeitrag der pharmazeutischen Forschung deutlich. Das hat sich gerade in der COVID-19-Pandemie gezeigt. Die enge Kooperation zwischen Biopharma-Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen hat maßgeblich zur schnellen Entwicklung und Bereitstellung wirksamer Impfstoffe sowie Medikamente gegen SARS-CoV-2 und damit zur gesamtgesellschaftlichen Bewältigung der Pandemie beigetragen. 

COVID-19 und demografischer Wandel als Herausforderungen für das Gesundheitssystem

Gleichzeitig werden die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vermutlich erst in einigen Jahren vollständig erkennbar. Rund 20 Millionen Behandlungen sind im ersten Jahr der Pandemie ausgefallen und auch Vorsorgeuntersuchungen wurden deutlich seltener wahrgenommen. 5, 6, 7, 8, 9 Dies kann mit einer schlechteren Prognose bei schweren Erkrankungen verbunden sein. Auch klinische Studien konnten teilweise nur eingeschränkt durchgeführt werden. „Dadurch besteht ein erhebliches Risiko, dass dringend benötigte medizinische Innovationen verzögert werden“, so Archer. 

Eine zentrale Herausforderung für das Gesundheitswesen der Zukunft ist der demografische Wandel - im Jahr 2050 wird jeder sechste Mensch auf der Welt über 65 Jahre alt sein.10 Es wird erwartet, dass die Zahl der chronischen Krankheiten zunimmt und mehr Menschen von Komorbiditäten betroffen sein werden.11 Bei der Bewältigung dieser Herausforderung werden Patient:innen-zentrierte Ansätze, die individuell auf die Betroffenen zugeschnitten sind, eine wichtige Rolle spielen: „Durch unser zunehmendes Verständnis der komplexen Biologie von immer mehr Krankheiten verfügen wir nun über Instrumente, mit denen wir die zugrundeliegenden Ursachen angehen und Patient:innen individuellere Therapien bereitstellen können.“

Die Therapielandschaft von morgen

Mittels innovativer Zell- und Gentherapien besteht z. B. die Möglichkeit, bisher unheilbare Erkrankungen individualisierter zu behandeln und damit die Prognose sowie Lebensqualität der Patient:innen potenziell maßgeblich zu verbessern. „Personalisierte Zelltherapien haben das Potenzial, die Behandlung verschiedener Formen von Blutkrebs grundlegend zu transformieren“, sagt Archer. Und besonders dort, wo derzeit keine oder nur begrenzte Therapieoptionen bestehen, wird weiterhin intensiv an neuen Lösungen geforscht. In Deutschland vertretene Pharma-Unternehmen entwickeln derzeit 434 Medikamente für mehr als 145 Erkrankungen über verschiedene Indikationen hinweg, die bis Ende 2023 verfügbar sein könnten.12   

Insgesamt wandelt sich die Medizin von einer rein experimentellen und forschungsgetriebenen Disziplin zu einer zunehmend datengetriebenen Disziplin. Die Digitalisierung kann dabei als Katalysator zu dienen, indem sie medizinische Daten analysiert sowie mithilfe künstlicher Intelligenz dazu beiträgt, Medikamente schneller und maßgeschneiderter zu entwickeln. 

Innovationsstandort Deutschland sichern

Im Zentrum der Handelsblatt Jahrestagung Pharma stand u. a. die Frage, wie neue Arzneimittel weiterhin schnellstmöglich ihren Weg zu Patient:innen finden und Deutschland auch zukünftig ein wettbewerbsfähiger Standort im Bereich der Forschung und Entwicklung bleibt. „Wir müssen Innovationen schützen und ihren gesellschaftlichen Wert anerkennen. Ein kooperatives Umfeld, in dem Industrie, Wissenschaft und Politik zusammenarbeiten, ist entscheidend, um die Zukunftsfähigkeit und Innovationskraft des Gesundheitswesens zu sichern“, so Archer.

Um hier erfolgreich zu sein, sind beispielsweise Rahmenbedingungen erforderlich, die es ermöglichen, klinische Studien in Deutschland weiterhin zuverlässig sowie effizient durchzuführen und dabei auch bürokratische Hürden abzubauen. Insgesamt geht es darum, Anreize für Forschung und Entwicklung langfristig zu gewährleisten, um die Verfügbarkeit und Versorgung mit innovativen Arzneimitteln sicherzustellen. „Medizinische Innovationen sollten als Investition in die Gesundheit sowie den Wohlstand unserer Gesellschaft und nicht als bloßer Kostenfaktor betrachtet werden.“

Mehr zum Thema gibt es auch im Video-Interview von Neil Archer direkt von der Veranstaltung

Quellen
1 Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Musterpräsentation „Daten und Fakten der deutschen Pharmaindustrie“, Stand: April 2021.
2 Boston Consulting Group/vfa bio, Biotech-Report: Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2021, Stand: Juni 2021; verfügbar unter: https://www.vfa-bio.de/vb-de/vb-presse/vb-pressemitteilungen/presse-biotech-2021 (letzter Zugriff: März 2022).
3 Robert Koch-Institut, Malignes Melanom der Haut, Stand: November 2021; verfügbar unter: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Melanom/melanom_inhalt.html (letzter Zugriff: März 2022).
4 Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), vfa-Musterpräsentation Nutzen von Arzneimitteln: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stand: März 2020.
5 Tagesschau, Corona-Pandemie: Massiver Anstieg bei anderen Krankheiten, Stand: November 2021; verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/investigativ/report-mainz/corona-chronisch-kranke-101.html (letzter Zugriff: 26. November 2021). 
6 Helios-Kliniken, Corona: Herzinfarkte fallen deutlich schwerer aus, Stand: März 2021; verfügbar unter: https://www.helios-gesundheit.de/unternehmen/aktuelles/pressemitteilungen/detail/news/corona-herzinfarkte-fallen-deutlich-schwerer-aus-1/ (letzter Zugriff: März 2022).
7 DAK, Krebsfrüherkennung: Rückgang in der Corona-Pandemie, Stand: 4. Mai 2021; verfügbar unter: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/krebsfrueherkennung-rueckgang-in-der-corona-pandemie-2451288.html (letzter Zugriff: März 2022).
8 BARMER, Tausende Krebsfälle bleiben wegen Corona unentdeckt – Brustkrebs-Patientinnen besonders stark betroffen, Stand: 3. Mai 2021; verfügbar unter: https://www.barmer.de/presse/presseinformationen/pressemitteilungen/krebsfaelle-wegen-corona-unentdeckt-303272 (letzter Zugriff: März 2022).
9 Initiative Qualitätsmedizin, Stand: 26. November 2020; verfügbar unter: https://www.initiative-qualitaetsmedizin.de/covid-19-pandemie (letzter Zugriff: März 2022).
10 United Nations, World Population Prospects 2019, Stand: Juni 2019; verfügbar unter: https://www.un.org/development/desa/publications/world-population-prospects-2019-highlights.html (letzter Zugriff: März 2022).
11 United Nations, World Population Aging 2019, Stand: 2020; verfügbar unter: https://www.un.org/en/global-issues/ageing (letzter Zugriff: März 2022).
12 Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), „Neue Medikamente in Sicht“, Stand: Februar 2020; verfügbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/perspektive-2023/neue-medikamente (letzter Zugriff: März 2022).

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